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«Die PV-Fassade ist salonfähig geworden»

Interview

Interview mit Prof. Dr. Christof Bucher, Professor für Photovoltaiksysteme an der Berner Fachhochschule BFH in Burgdorf und Referent am Tageskurs «PV-Fassaden» des energie-cluster.ch vom 15. September 2022 in Bern

Sie befassen sich schon seit 2008 in der Privatwirtschaft und in der universitären Forschung mit der Planung von Photovoltaik-Anlagen und insbesondere mit Photovoltaik-Fassaden. Wie hat sich die Rolle der Fassade als Stromerzeugerin seither entwickelt, etwa im Vergleich zum Dach?
Die PV-Fassade ist salonfähig geworden. Während vor zehn Jahren, bei meinen ersten Projekten, jeweils ein projektspezifisches Montagesystem entwickelt worden ist, gibt es heute eine grössere Anzahl Systemanbieter, die in diesem wichtigen Nischenmarkt erfolgreich Fuss gefasst haben.

Gab es technische oder regulatorische Entwicklungen, welche die Investition in eine Photovoltaik-Fassade attraktiver gemacht haben?
Seit dem 1.1.2022 werden integrierte PV-Anlagen mit einem Neigungswinkel von mindestens 75° mit einem zusätzlichen Bonus von CHF 250.- zur Einmalvergütung gefördert. Das breitere Angebot und die grössere Erfahrung der Installationsfirmen erhöhen für Bauherrinnen und Bauherren zudem die Chance auf ein passendes Angebot. Am wichtigsten scheint mir aber, dass die Menschen zunehmend den Wert der Fassaden für die Stromversorgung erkennen. Mehr noch als PV-Anlagen auf dem Dach werden PV-Anlage an der Fassade aus persönlichen Überzeugungen und nicht aus Renditegründen gebaut.


Bild: Prof. Dr. Christof Bucher

Eine wichtige Frage bei den stromerzeugenden Gebäuden (Prosumer) betrifft den Umgang mit der gewonnenen Energie. Es gilt die Wahl zu treffen zwischen: sofort verbrauchen, vor Ort speichern oder ins Netz einspeisen. Wie findet man die richtige Antwort, respektive den richtigen Mix?
Diese Antwort ist im Grundsatz einfach: So viel wie möglich selbst verbrauchen, den Rest ins Netz einspeisen. Die lokale Speicherung lohnt sich meines Erachtens finanziell und ökologisch nur dann, wenn sie einen zusätzlichen Nutzen erbringt, beispielsweise die Speicherung im Elektroauto oder im ohnehin vorhandenen Backupsystem. Der Austausch der Energie im Quartier über das bestehende Stromnetz ist viel effizienter und ökologischer als die Batterie im Keller, deshalb sollte letzterer kein allzu hohes Gewicht gegeben werden. Leider sind aber die Rahmenbedingungen für den Stromaustausch im Quartier noch nicht optimal.