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«Die Etablierung der PV-Fassade ist eine Frage der Akzeptanz bei den Architekturschaffenden»

Interview
«Die Etablierung der PV-Fassade ist eine Frage der Akzeptanz bei den Architekturschaffenden»

Photovoltaikfassaden können einen wichtigen Beitrag an die Steigerung der Energiegewinnung aus erneuerbaren Quellen leisten – insbesondere dann, wenn der gewonnene elektrische Strom direkt «vor Ort» genutzt wird. Mittlerweile verfügt die Schweiz über eine ganze Reihe von Beispielen oder Prototypen dieses Fassadentyps, der aus dem Haus ein Kraftwerk macht.

Für Architektinnen und Architekten gilt bei ihrer entwerferischen Arbeit die vitruvianische Triade «Firmitas, Utilitas, Venustas», also Festigkeit, Nützlichkeit, Schönheit. Welcher dieser Eigenschaften würden Sie die Photovoltaikfassade zuordnen?

Warum nur eine Eigenschaft? Vitruv hat das diese drei Charakteristika nicht als Alternativen, nicht als Entweder – Oder verstanden, sondern als Triade unverzichtbarer Eigenschaften, die Architektur ausmachen, also auch Photovoltaikfassaden.

Die Dozentur BUK betreibt gemeinsam mit anderen Institutionen die seit 2019 bestehende Solardatenbank solarchitecture.ch. Dort lassen sich auch realisierte Photovoltaikfassaden abrufen, aktuell rund 50 Datensätze. Lassen diese Beispiele schon Systemvarianten erkennen? Oder sind das noch alles «Spezialitäten»?

Die Solartechnik entwickelt sich auf allen Ebenen rasant. Neue Zellchemien steigern die Leistungsfähigkeit, grössere Modulformate sollen zu günstigeren Montagekosten beitragen, vorgefertigte Architekturelemente zur Integration von PV-Anlagen helfen bei der einfachen Anwendung von Photovoltaik am Bau. Einige Anbieter haben Befestigungssysteme entwickelt, welche gut vom Markt aufgenommen worden sind. Im Zusammenspiel mit der kreativen Arbeit der Architekturschaffenden entstehen so oft Photovoltaikfassaden auf der Basis bewährter Technik die trotzdem grosse Individualität aufweisen.

Wird bei den auf der Website dokumentieren Beispielen geprüft, ob die Leistungsversprechen der diversen Fassaden auch eingehalten werden?

Das ist Aufgabe unserer Partner im SUPSI (Scuola universitaria professionale della Svizzera italiana). Generell kann man aber sagen, dass die Ausrichtung der Fassade grösseren Einfluss auf die Energieausbeute hat als die geringen Schwankungen von der zertifizierten Leistung eines Moduls. Die meisten Anbieter geben 20 Jahre Leistungsgarantie. Welches andere Architektur-Bauteil weist eine so lange Garantiezeit auf?

Ihre Dozentur betreut unter anderem Erstanwendungen von Baumaterialien und -elementen im Baubereich. Kommen Sie bei dieser Aufgabe auch mit der Photovoltaikfassade in Kontakt?

Diese Wissenskollaboration mit der Klimastiftung Schweiz konnten wir diesen Herbst 2023 lancieren. Die Bandbreite der förderwürdigen Produkte ist gross. Gut möglich, dass bald auch Photovoltaikprojekte Teil davon sein werden. Anträge bestehen schon.

Sind wir bei den Photovoltaikfassaden auf dem Weg zu Standardprodukten? Oder gibt es auf der Strecke noch Hindernisse?

Das ist eine Frage der Systemgrenzen. Die Module sind oft standardisiert, werden aber genauso oft in Sondermassen und mit Sonderfarbgebung verarbeitet. Auch dafür gibt es viele bewährte Produkte, wie auch für die Befestigung am Rohbau. Glücklicherweise werden aber ständig neue Systeme entwickelt. Die Architektur kann von einem breiteren Angebot nur profitieren.

Sowohl im Kanton Bern wie auch im Kanton Zürich sind Bestrebungen im Gang die Hürden für PV-Fassaden, seien sie technischer oder bürokratischer Natur, zu vereinfachen. Ist der tatsächliche Durchbruch für die PV-Fassade somit in Sichtweite? Wie weit stehen wir mit der Etablierung der PV-Fassade?

Das ist wohl weniger eine Frage der Kosten und Gesetzgebung, als eine Frage der Akzeptanz der Photovoltaikfassaden bei den Architekturschaffenden. Wir bilden alle unsere Studierenden in diesem Bereich aus und stellen fest, dass zum Beispiel hier an der ETHZ immer mehr Studierenden-Projekte Photovoltaik integrieren.

Sie werden am Tageskurs PV-Fassaden über Systeme, Konstruktionen und Architektur referieren. Welchen Einfluss hat bei diesen drei Aspekten der Unterhalt?

Die beste Konstruktion nützt bei ungeschickter Anwendung wenig. Insofern liegt die Verantwortung für das Gelingen einer Photovoltaikfassade stark bei den Planenden. Ich hoffe mit meinen Ausführungen dazu beitragen zu können.