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Rückblick 3. Power-to-Gas Kongress Schweiz

Wasserstoff

Mit erneuerbaren Energien erzeugter Wasserstoff kann einen wichtigen Beitrag an das Netto-Null-Ziel leisten, dem sich die Schweiz verschrieben hat. Woher er kommen soll und wo seine Verwendung sinnvoll ist, darüber herrscht noch nicht Klarheit. Der 3. Power-to-Gas Kongress vom 5. September 2023 vermittelte eine Übersicht und eine spannende Momentaufnahme der aktuellen Situation.

Frank Schürch, Geschäftsleiter des energie-cluster.ch, moderierte den 3. Power-to-Gas Kongress gemeinsam mit Daniela Decurtins, Direktorin des Verbands der Schweizerischen Gasindustrie (VSG). Wie die beiden Veranstaltungen in den Vorjahren fand er in der Umwelt Arena Schweiz in Spreitenbach (AG) statt. Bei der Begrüssung der rund 225 Teilnehmenden erinnerte Frank Schürch daran, dass beim ersten Kongress die Situation im Bereich Power-to-Gas in der Schweiz, beim zweiten jener im Ausland im Zentrum stand. Nun sei es an der Zeit, über eine Wasserstoffstrategie zu diskutieren, die aktuell beim Bundesamt für Energie (BFE) in Vorbereitung ist. Wasserstoff kann als Speicher von Strom aus erneuerbaren Energiequellen dienen und ist für das Power-to-Gas-Konzept essenziell.

Positionierung und Lagebeurteilung

Markus Bareit, Dr. sc. ETH, Fachspezialist Energieversorgung und Monitoring beim BFE, bezeichnete in seinem einführenden Referat den Wasserstoff als «das Schweizer Taschenmesser der Energieträger». Man könne eigentlich alles mit ihm machen. Allerdings müsse sein Einsatzgebiet wohl überlegt sein. Für die Schweiz stehen die stoffliche Nutzung (d. h. eine Weiterverarbeitung, etwa zu synthetischem Methan), die Hochtemperatur Prozesswärme, die Mobilität (Strassentransporte, Flug- und Schiffverkehr), Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen (WKK) und die Verwendung in Reservekraftwerken im Vordergrund. Intensiv studiert werden Fragen zur Produktion, zum Transport und zur Speicherung. Es liegen bereits zahlreiche Studien vor. Die Erkenntnisse fliessen nun in eine Wasserstoffstrategie für die Schweiz ein. Einen Grobentwurf dieser Strategie kündigte Dr. Bareit auf Anfang 2024 an. Gegen Ende des kommenden Jahres soll sie bereit sein und die Grundlage eines Mantelerlasses bilden, der auf Januar 2025 terminiert ist.

Norbert Rücker, Head of Economics and Next Generation Research, Bank Julius Bär, und Präsident des energie-cluster.ch, betrachtete das Potenzial von Wasserstoff aus der Position von Investorinnen und Investoren. Von dieser her wird Wasserstoff als eine Energiequelle von vielen betrachtet, die auf einer globalen Ebene immer in Konkurrenz zueinanderstehen. Norbert Rücker glaubt nicht, dass für Wasserstoff so grosse Märkte entstehen werden, wie etwa bei der E-Mobilität. Wichtige Fragen im Umgang mit ihm seien der optimale Ort der Produktion und der Transport. Er rechnet damit, dass der Betrieb von Pipelines für Wasserstoff doppelt so teuer ist wie jene für das weit dichtere Gas. Das grösste Potenzial sieht er bei der Schifffahrt und der Produktion von grünem Ammoniak. In der Schweiz kann er sich die Verwendung von Wasserstoff in Clustern vorstellen, in denen etwa in Kombination mit Biomasse Methan oder Methanol erzeugt wird. Man müsse sich eine pragmatische Sichtweise zu eigen machen, riet Norbert Rücker. Sonst werde es sehr teuer.

Ein Ferninterview mit Dr. Philipp Steinberg, Leiter Abteilung Wirtschaftsstabilisierung und Energiesicherheit, Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz Deutschland, gewährte dem Publikum einen Einblick in die Wasserstoffstrategie des Nachbarlandes. Es besitzt schon seit 2020 eine solche, der Fokus liegt bei der Produktion und dem Import. Bei der Verwendung steht die Industrie im Vordergrund, sie benutzte auch bisher Wasserstoff – allerdings «braunen». Aktuell wird für den Transport ein Kernnetz erstellt, bis 2033 soll es eine Länge von 12'000 Kilometern aufweisen. Dr. Steinberg sprach von einem «sehr pragmatischen Ansatz», mit offenen Fragen, wie etwa dem sinnvollen Produktionsort von grünem Wasserstoff. Dessen Verfügbarkeit wird in Deutschland als essenzieller «weiterer Pfeiler der Energiewende» gesehen. Der Schweiz rät Dr. Steinberg, die Entwicklung in anderen Ländern, die hinsichtlich der Wasserstoffstrategie einen Vorsprung haben, eng zu verfolgen, um für die eigene die richtigen Schlüsse zu ziehen, etwa bei der Förderung oder dem regulatorischen Rahmen.

 

Erfahrungen und Empfindungen

Wie grüner Wasserstoff erzeugt und sinnvoll genutzt werden kann, weiss Jürg Herzog, Country Head Smart Infrastructure, Siemens Schweiz AG. Am 3. Power-to-Gas Kongress präsentierte er den Energiepark in der Gemeinde Wunsiedel in der bayerischen Region Oberfranken. Sie entspricht im Wesentlichen der Cluster-Idee. Siemens ist mit Technik und auch finanziell beteiligt. Zum Cluster gehören unter anderem ein Säge- und ein Pelletwerk, ein Batteriespeicher, eine industrielle Holztrocknung – und die grüne Wasserstofferzeugung. Photovoltaikstrom liefert grüne Energie für den Cluster. Zu dessen Endprodukten gehört auch Wasserstoff, der sich zum Transport in Tanklastwagen abfüllen lässt. Für ihn gibt es in der näheren Region genügend Abnehmer aus der Industrie und der Chemie. Jürg Herzog sieht in der Anlage ein gutes Beispiel für eine Sektorkopplung. Die Produktion von Wasserstoff startete im September 2022. Vom Januar 2023 bis Juni 2023 musste die Anlage stillgelegt werden. Wegen regulatorischer Massnahmen im Zuge der Strompreiserhöhungen wäre die Produktion in dieser Zeit nicht rentabel gewesen.

Regulatorische Leerstellen im Zusammenhang mit der grünen Wasserstoffproduktion bemängelte in seinem Referat Thomas Peyer, Geschäftsführer Swisspower Green Gas AG. Ein Masterplan, welche die Versorgungssicherheit garantiere, fehle. Es brauche noch ein schlüssiges Zukunftsbild mit einem gesetzlichen Rahmen, welche alle zur Verfügung stehenden Energien berücksichtigt. Dazu gehören für Thomas Peyer unter anderem auch Anschubfinanzierungen oder eine grenzüberschreitende Vernetzung nationaler Herkunftsnachweisregister.

Ennio Sinigaglia, Direktor Transitgas AG, Zürich, referierte über die Herausforderungen, welche der Transport von Wasserstoff für die Betreiber von Pipelines bedeuten kann. Transitgas, welche eine Nord-Süd-Pipeline betreibt, untersucht die Bedingungen und die Herausforderungen, welche der mögliche Transport von Wasserstoff mit sich bringen. Mit einem Wasserstoffanteil von bis zu 10 Prozent sei der Gastransport ohne Änderungen am Netz machbar, zeigten die Untersuchungen. Für einen höheren Anteil seien gründlichere Abklärungen nötig. Wenn ein Um- oder Ausbau gewünscht werde, könne der Gassektor den Aufwand nicht allein leisten, meinte Ennio Sinigaglia.

Wasserstoff aus Glovelier – Wasserstoff vom Mars!

Partner des Power-to-Gas Kongresses erhielten Gelegenheit, kurz über den aktuellen Stand ihrer Produkte und Tätigkeiten im Zusammenhang mit Wasserstoff zu berichten. Robert Bereiter vom Versorger Energie 360° erklärte, wie sich sein Unternehmen auf Power-to-Gas vorbereitet. Bis 2035 will es über eine wasserstofftaugliche Netzinfrastruktur verfügen. Robert Böhm von Hitachi Zosen Inova Schmack AG, stellte unter anderem die Methanisierungs-Anlage von Limeco in Dietikon (ZH) und die Wasserstroffproduktion in Buchs (SG) vor. Ronald Schlegel von der Hybridbox AG konnte schon über 90 WKK-Systeme in Liegenschaften installieren. Und Kurt Lanz von Powerloop erklärte, weshalb Power-to-Gas und WKK ein ideales Duo sind.

Dass sich Power-to-Gas und die Produktion von Wasserstoff in der Schweiz noch in der Forschungs- und Entwicklungsphase befinden zeigte die Vorstellung von zwei Pionierprojekten. Dr. Tilman Schildhauer, Scientific Lead Methanation and Industrial Power-to-X am Paul Scherrer Institut PSI und Andreas Aeschimann, CEO bei AlphaSYNT, erklärten die Funktionsweise des neuen Methan-Reaktors GanyMeth. Er kann Kohlendioxid und Wasserstoff in Methan und Wasser umwandeln. Das System funktioniert, jetzt sucht AlphaSYNT nach Abnehmern für eine kommerzielle Produktion. Vier Projekte, zwei in Österreich und zwei in den USA konnten bisher akquiriert werden, drei davon sind industrielle Pilotprojekte. Für die Kommerzialisierung dieser Spitzenforschung werden weitere Partner gesucht. Für die Beteiligung brauche es Mut, gestand Andreas Aeschimann.

 Den Schlusspunkt der sehr abwechslungsreichen Veranstaltung setzte der Astronauten-Veteran Claude Nicollier mit seinem Referat über die Verwendung von Wasserstoff in der Luft- und Raumfahrt. Als Raketenantrieb hat Wasserstoff schon eine längere Karriere hinter sich, grün war er allerdings nicht. Heute sind Strahltriebwerke in Entwicklung, welche auf eine weniger grosse Abhängigkeit von Kerosin aus fossilen Quellen hoffen lassen. In der Schweiz wird aktuell mit «Destinus» das Projekt eines unbemanntes Frachtflugzeugs vorangetrieben, das einen Kerosin- und einen Wasserstoff Antrieb hat. Testflüge sind für 2024 geplant. In der Raumfahrt hat Wasserstoff ein Potenzial, weil es auf Planeten wie dem Mars und Trabanten Wasser gibt. Deshalb bestehen auch schon Visionen von Zwischenhalten und Neubetankungen von Raumschiffen im Weltall.

Zurück auf der Erde sollte die politische Schweiz reagieren auf den Wunsch nach einem Gesamtbild für den Einsatz von grünem Wasserstoff, der einer inländischen Produktion und den Möglichkeiten des Imports klare Konturen verleiht. Dieser Wunsch wurde während der Veranstaltung mehrmals deutlich zum Ausdruck gebracht. Vielleicht gewinnt dieses Bild bis zum nächsten Power-to-Gas Kongress an Deutlichkeit. Er findet am 3. September 2024 statt.

 

Medienmitteilung von Manuel Pestalozzi für den energie-cluster.ch