«Die Zeiten, in denen wir Teilprobleme isoliert betrachteten, sind vorbei»
Interview mit Dr. Illias Hischier, Maschinenbau-Ingenieur, Dozent und Forscher bei der Architecture and Building Systems A/S Research Group an der ETH Zürich zur Führung durch das Zero Carbon Building Systems Lab im Rahmen des Tageskurses «PV-Fassaden» am 28. Februar 2023 an der ETH Zürich, Campus Hönggerberg.
Wodurch unterscheidet sich das Zero Carbon Building Systems Lab durch andere Testgebäude, wie etwa NEST auf dem Campus der Empa in Dübendorf?
Unser Ziel mit dem neuen Lab ist das Schliessen der Lücke zwischen der Grundlagenforschung und der fast marktreifen Anwendung unter Realbedingungen in einem «living Lab», wie dies am NEST der Fall ist. Unser Lab bietet dafür verschiedene Testzellen, welche sowohl das Experimentieren mit ersten Prototypen unter künstlichen Bedingungen als auch Messkampagnen ganzer Fassadenelemente unter «Hönggerberger Klima» und über einen längeren Zeitraum ermöglichen.
Wird dort zwischen diversen Bereichen in der Forschung auch ein Zusammenhang hergestellt? Wird das Zero Carbon Building Systems Lab als Gesamtsystem interpretiert?
Unbedingt! Die Zeiten, in denen wir Teilprobleme isoliert betrachteten, sind vorbei. Wir sind heute mit einer Vielzahl verschachtelter Krisen konfrontiert und müssen darum auch die Art und Weise, wie wir forschen, überdenken. Das Gesamtsystem bzw. die Zusammenhänge zwischen verschiedenen Teilaspekten möchten wir in unserer zukünftigen Forschung noch stärker berücksichtigen. Das neue Lab wird auch diesbezüglich neue Wege eröffnen: Zusätzlich zu einer konventionellen Leistungsmessung wird auch die Interaktion, die Wahrnehmung und das Erfahren einer Innovation ermöglicht. Das erachte ich für die benötigte bevorstehende Transformation als essenziell.
Im Forschungsbereich aktive Fassaden spielt die Stromerzeugung über PV eine wichtige Rolle. Wo besteht hier noch Forschungsbedarf?
Einerseits bei den Gestaltungsmöglichkeiten und andererseits beim ökologischen Fussabdruck von PV. Beides ist stark mit der Materialwahl verknüpft. Über 99% der Materialien in einem PV-Modul sind identisch mit uns bestens vertrauten Gebäudematerialien wie Glas, Aluminium oder auch Ethylen-Tetrafluorethylen (ETFE)-Folien. Für mich sind das alles Solarmaterialien, die ergänzt mit einer kleinen Komponente, die weniger als 1% der Masse der Solarzelle ausmacht, unseren lokalen Strombedarf decken können. Darum ist es doch absolut naheliegend, dass wir das Gebäude und PV nicht mehr isoliert betrachten, sondern Gebäudehüllen als Erweiterung einer PV Anlage denken oder umgekehrt, dass wir den im Gebäude verbauten Solarmaterialien wie Glas und Verschattungselementen auch die Möglichkeit geben Strom zu erzeugen.
(Bild: Dr. Illias Hischier)