«Die Reise zu Power-to-Gas wird durch Wissenstransfer, Subventionen oder gezielte Direktförderung beschleunigt»
Interview mit Norbert Rücker, Leiter Economics & Next Generation Research, Bank Julius Bär & Co. AG. Norbert Rücker ist Präsident des energie-cluster.ch und Referent am 3. Power-to-Gas Kongress Schweiz vom 5. September in der Umwelt Arena Schweiz.
Ihr Referat am 3. Power-to-Gas Kongress Schweiz hat den Titel: «Das dritte Drittel der Energiewende: Was sind Potenziale und Hürden für Wasserstoff und Co?». Wie «dritteln» Sie die Energiewende?
Wir sehen drei Phasen: Erneuerbare, sprich Solar- und Windkraft, Elektromobilität und nicht-fossile Brennstoffe wie Wasserstoff. Die Erneuerbaren etablierten sich gegen die Mitte des letzten Jahrzehnts, die Elektromobilität ist seit kurzem ein Selbstläufer. Der Markt für Wasserstoff und seine Derivate ist noch ganz am Anfang und dürfte um 2030 zu einer gewissen Grösse reifen.
Weshalb braucht es die dritte Phase überhaupt? Reichen die ersten beiden nicht aus?
Mit den Erneuerbaren und der Elektromobilität nimmt die Bedeutung der Elektronen markant zu. Wir sollten uns aber bewusst sein, dass sich auch auf lange Sicht nicht alle Ecken der Energiewelt elektrifizieren lassen. Gerade in der Stromversorgung bieten Brennstoffe eine nötige Resilienz. Dank ihr ist Europa bisher ohne Stromausfall durch die Energiekrise gekommen, die «Kälteflaute» zwischen Ende November und anfangs Dezember 2022 zeigte, wie wichtig diese Resilienz ist. Moleküle ergänzen Elektronen als kurzfristiger Back-up, als langfristiger Speicher oder auch als ein Wärmelieferant, wenn besonders viel von ihr benötigt wird. Die Frage ist: Wie schaffen wir es möglichst nachhaltig, in allen Dimensionen die fossilen Moleküle mit klimaneutralen zu ersetzen?
Was braucht es, um bei den nicht fossilen Brennstoffen, also beim Thema Power-to-Gas, voranzukommen? Wo harzt es derzeit?
Den bestehenden Technologien fehlt noch die Marktreife. Sie sind meist zu teuer. Mit einem grösseren Markt kommen Skaleneffekte, mehr Erfahrungswerte, es etabliert sich eine Industrie. Das sollte die Kosten drücken. Die Reise dahin beschleunigen Subventionen, wie beispielsweise der Inflation Reduction Act (IRA) in den USA, oder gezielte Projektförderung, wie wir sie in Europa kennen. Auch wenn nun alle vom IRA reden, die EU muss sich nicht verstecken: Im Herbst ist eine erste Auktion für sogenannte «Contracts-for-Difference» für Wasserstoff geplant. Das ist ein effizienteres Mittel der Förderung als Steuergutschriften. Auch die Schweiz hat ihre Optionen, beispielsweise das Entfernen von Marktbarrieren, wie die Netzentgelte, oder eine Verschärfung der Regeln der Zertifikate, so dass Gas-Alternativen eher in der Schweiz als irgendwo sonst in Europa produziert werden. Den Weg zur Marktreife ebnet auch der Wissenstransfer, wie er am 3. Power-to-Gas Kongress Schweiz stattfindet. (Bild: Norbert Rücker)