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«ZEV sind in jeder Grösse und Form denkbar»

Interview
«ZEV sind in jeder Grösse und Form denkbar»

Interview mit Carole Klopfstein, BA Sozialwissenschaften, MA Politikwissenschaften, Geschäftsleiterin Schweizerische Vereinigung für Sonnenenergie (SSES), Gemeinderätin Hochbau Muri b. Bern Referentin am Tageskurs «Zusammenschluss zum Eigenverbrauch (ZEV)» vom 7. Mai 2024

Sinn und Zweck von ZEV erläutert das Energiegesetz aus dem Jahr 2016. Seither sind fast acht Jahre vergangen. Hat sich die Idee ZEV bisher als Erfolgsmodell erwiesen?

Ja, das würde ich schon sagen. Was ursprünglich als politisch kleinster Nenner für die bessere Investitionssicherheit von Solaranlagen eingeführt wurde, leistet heute einen wichtigen Beitrag an den Ausbau der Energiewende. Nicht selten ist eine Anlage dank dem ZEV überhaupt erst finanzierbar. Das tolle an den ZEV ist, dass ein abstraktes Konzept – nämlich Stromproduktion und Verbrauch – einer breiten Gruppe virtuell zugänglich gemacht wird. Ich denke dabei speziell an MieterInnen, die nun echte Anreize haben, den Strom vom Dach dann zu nutzen, wenn er produziert wird. Damit werden sie auch zu BotschafterInnen der Energiewende.

Ist die Photovoltaik eigentlich die einzig sinnvolle Stromproduzentin von ZEV? Oder gibt es auch solche, die auch mit kleinen Wasserkraftwerken, Windgeneratoren oder Wärme-Kraft-Kopplung (WKK) operieren?

Die Definition eines ZEV ist in der Energieverordnung im Artikel 14 geregelt, diese spricht von «Produktionsanlagen», was auch Wasserkraft und Windkraft umfasst. Hier wurde wohl bewusst das Feld geöffnet, obwohl es in der Praxis noch kaum Beispiele gibt. Ich persönlich sehe das Potenzial bei der Windkraft oder Biomasse am zweithöchsten, Wasserkraft wohl eher weniger da wir dort bereits über eine hohe Pfadabhängigkeit bezüglich der vorhandenen Infrastruktur sprechen. Windkraft hat bei ZEV eine Chance, weil vermehrt auch kleinere Energieerzeugungsanlagen auf den Markt kommen. Ich bin aber davon überzeugt: ZEV werden auch zukünftig mehrheitlich mit Solarstrom versorgt.

Am 9. Juni 2024 werden wir über den so genannten Mantelerlass, das Bundesgesetz vom 29. September 2023 über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien, abstimmen. Er erhält auch Bestimmungen für ZEV. Welche Auswirkungen könnten ein Ja oder ein Nein für dieses Modell haben?

Mit dem Mantelerlass, dessen Annahme ich begrüssen würde, wäre neu auch der virtuelle ZEV möglich, womit zukünftig bestehende Anschlussleitungen genutzt werden könnten. Das entspricht in groben Zügen dem bereits bestehenden Praxismodell für Energieversorgungs-Unternehmen (EVU). Weiter werden im Mantelerlass lokale Energiegemeinschaften ermöglicht, damit würde die bestehende Netzinfrastruktur innerhalb eines abgegrenzten Perimeters zu bestimmten Konditionen für weitere Parteien zugänglich. Beide Ansätze sind eine Ausweitung der Grundidee ZEV. Sollte der Mantelerlass abgelehnt werden, sind ZEV in der heutigen Form weiterhin möglich.

(Bild: Carol Klopfstein)