«Kreislaufwirtschaft ist auch ein ökonomisches Konzept»
Interview mit Nicolas Wild, Experte für Nachhaltigkeit, Manager Sustainability bei der Wüest Partner AG und Referent am 3. Symposium «Graue Emissionen im Bausektor» vom 9. Dezember 2025 in Bern.
Wie machen Sie einer ökonomisch orientierten Fachperson in der Immobilienwirtschaft die Kreislaufwirtschaft schmackhaft?
Ich würde der Person aufzeigen, dass Kreislaufwirtschaft nicht nur ein ökologisches, sondern auch ein ökonomisches Konzept ist. Ebenso würde ich erklären, was dieses Konzept umfasst. Wer kreislauffähig baut, profitiert von ökonomisch relevanten Chancen, wie geringere Lebenszykluskosten durch Systemtrennung, höhere Zahlungsbereitschaft für Nutzungsflexibilität oder Kosteneffizienz durch Ressourceneffizienz und Suffizienz.
Sie werden in Ihrem Referat am 3. Symposium «Graue Emissionen im Bausektor» sowohl auf die Kreislaufwirtschaft wie auch auf die Erhebung der grauen Emissionen eingehen. Gibt es für sie in der Schweiz schon verbindliche Standards? Sind die betreffenden Regelwerke à jour?
Es gibt etablierte Grundlagen, wie das SIA-Merkblatt 2032 oder Nachhaltigkeitslabels wie SNBS und Minergie-Eco, die graue Emissionen berücksichtigen. Neu ist auch die SIA-Norm 390/1 (2025), die Berechnungswege und Richtwerte für Lebenszyklus-Emissionen vorgibt. Noch sind diese Standards freiwillig, aber mit der laufenden Revision des Energiegesetzes und der neuen MuKEn (Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich) dürfte bald ein verbindlicher Rahmen entstehen.
Ihr Unternehmen hat kürzlich die Publikation «Zirkulär Bauen: Leitfaden für Investoren und Bauherrschaften» herausgegeben. Sind die Reduktion grauer Emissionen und die Zirkularität untrennbar miteinander verknüpft?
Zirkularität bedeutet, hochwertige Materialien möglichst lange im Kreislauf zu halten. Jede vermiedene oder wiederverwendete Tonne Beton, Stahl oder Glas spart graue Emissionen in der Erstellung. Insofern sind die beiden Themen miteinander verbunden – müssen es aber nicht zwingend sein. Zwar ist CO2 eine zentrale Messgrösse, doch es gibt auch andere planetare Grenzen, die berücksichtigt werden sollten – beispielsweise die Biodiversität. Zirkularität schafft weitere positive Effekte, etwa in Bezug auf Ressourceneffizienz und Abfallvermeidung. Deshalb ist es wichtig, beide Zielgrössen stets gemeinsam im Blick zu haben.